
In diesem Blogeintrag geht es um das Freie Schreiben zu einem vorgegebenen Schreibimpuls. Ich mag das lieber als die Version, bei der man ohne Impuls los schreibt. Aber falls dich das klassische Freie Schreiben interessiert, empfehle ich dir diesen Blogeintrag von Andreas Schuster. Die Inspiration zu dem, was ich dir jetzt vorstelle, habe ich von einem Skillshare-Kurs.
Darum geht es beim Freien Schreiben:
Beim Freien Schreiben geht es darum, den inneren Kritiker über Bord zu werfen und einfach drauf los zu schreiben. Auf der einen Seite klingt es so einfach, auf der anderen Seite kann es aber echt schwer sein. Es geht nicht um gute oder schlechte Sätze, sondern darum, in den Flow zu kommen und ungefiltert aufzuschreiben, was dir in den Sinn kommt. Könnte nämlich Spaß machen und vielleicht stellst du am Ende fest, dass sich eine coole Idee oder eine schöne Formulierung aufs Papier geschlichen hat, auf die du sonst nie gekommen wärst.
So funktioniert Freies Schreiben:
Du suchst dir einen der drei folgenden Satzanfänge aus, schreibst ihn auf und schreibst weiter. 10 Minuten lang. Am besten stellst du dir einen Timer. Es geht nicht darum, eine logische, perfekt formulierte Geschichte zu verfassen. Es geht darum, nicht aufzuhören zu schreiben. Alles ist erlaubt: Richtungswechsel, Gedankensprünge, sinnlose Wortaneinanderreihungen, bis dir wieder was einfällt.
Die einzige Regel: Es wird nicht zurückgegangen, umgeschrieben oder verbessert. Es gibt nur eine Richtung und die heißt nach vorne.
Wenn die zehn Minuten um sind, hörst du auf zu schreiben. Jetzt darfst du durchlesen, was du geschrieben hast. Mach dich nicht schlecht, wenn du denkst, du hast den größten Mist geschrieben. Das ist okay. Das darf so sein. Vielleicht findest du ja den ein oder anderen Satz, der dir gefällt. Markiere ihn und wenn du willst, notiere ihn in deinem Notizbuch oder deiner Ideensammlung oder deinem Trello-Board. Vielleicht kannst du ihn mal gebrauchen.
Suche dir einen der Satzanfänge aus und leg los:
- Als er den Preis für eine Rolle Klopapier auf dem Schwarzmarkt hörte…
- Nach 77 Tagen Homeoffice sehnte sie sich nach…
- Am 15. Oktober, dem internationalen Hände-Waschtag, fanden im ganzen Land…

Ich habe mich für den ersten Satz entschieden. Das kam bei mir heraus:
Als er den Preis für eine Rolle Klopapier auf dem Schwarzmarkt hörte…
… schluckt er. 100 Euro? Nie war es teurer auf Toilette zu gehen als in diesen Zeiten. Er sah sich um. Abgesehen von Klopapier konnte man in dieser heruntergekommenen Lagerhalle noch weitere Güter kaufen, die es einst wie selbstverständlich in den Supermärkten gegeben hatte: Weizenmehl, Milch und Schokolade. Niemand wusste, warum Klopapier mittlerweile mehr wert war als ein Goldbarren. Er hatte sich nie an der Börse beteiligt, nie in Aktien oder andere Geldanlagen investiert. Aber Klopapier hatte er immer vorrätig gehabt! Hätte er doch nur gewusst, dass er einst in Hülle und Fülle besessen hatte, womit man nun Mietkautionen zahlen konnte. Im Rückblick hatte er der Rumpelkammer neben der Küche in der Vierzimmerwohnung, die er sich mit seiner Frau und seiner Tochter teilte, nie große Bedeutung zugemessen. Trotzdem konnte er sich noch genau daran erinnern, wie seine Frau einst zwei Packungen Klopapier vom Einkaufen nach Hause gebracht hatte, weil sie im Angebot gewesen waren. An den Preis konnte er sich natürlich nicht mehr erinnern, er muss verschwindend gering gewesen sein. Sie hatten mal in so einer Zeit gelebt, aber die war lange vorbei. Wenn man davon ausging, dass die Klopapierpackungen früher zwölf Rollen beinhaltet hatten und sie davon zwei Stück in die Rumpelkammer neben der Küche gequetscht hatte, herzlos zwischen das Bügelbrett und den Eimer mit den Putzmitteln gequetscht, hatte sie 24 Rollen besessen. 24! Bei damaliger Verschwendung, mit der sie sich alle den Hintern abgeputzt hatten, hatten 24 Rollen schon drei Monate gehalten. Heute, da er vorsichtig und in der Hoffnung, es nicht zu zerreißen, ein einzelnes Blatt von der Rolle abriss, der sie einen Schrein im Wohnzimmer eingerichtet hatte (untypisch für Schreine und Verehrungen waren jedoch Kerzen im Umreis von 100 Zentimetern um die Rolle Toilettenpapier verboten), reichte…
Wie du siehst, logisch ist das, was ich aufgeschrieben habe, nicht. Am Anfang kostet die Rolle Klopapier 100 Euro, dann wird sie mit Gold aufgewogen und dann kann man die Mietkaution mit ihr bezahlen. Beim Freien Schreiben geht es nicht um das Gesamtergebnis, sondern um den Prozess, bei dem man durch das Schreiben auf neue Ideen kommt und sie direkt ausprobieren kann.
Wenn ich jetzt nochmal durchlese, was ich geschrieben habe, finde ich viele Sätze langweilig oder nichtssagend. Aber zwei gefallen mir gut:
Niemand wusste, warum Klopapier mittlerweile mehr wert war als ein Goldbarren. Er hatte sich nie an der Börse beteiligt, nie in Aktien oder andere Geldanlagen investiert. Aber Klopapier hatte er immer vorrätig gehabt! Hätte er doch nur gewusst, dass er einst in Hülle und Fülle besessen hatte, womit man nun Mietkautionen zahlen konnte.
Heute, da er vorsichtig und in der Hoffnung, es nicht zu zerreißen, ein einzelnes Blatt von der Rolle abriss, der sie einen Schrein im Wohnzimmer eingerichtet hatte (untypisch für Schreine und Verehrungen waren jedoch Kerzen im Umkreis von 100 Zentimetern um die Rolle Toilettenpapier verboten), reichte…
Da haben wir doch zwei schöne Ideen für Kurzgeschichten:
- An der Börse gehandeltes Klopapier
- Menschen, die in ihrem Wohnzimmer sitzen und eine Rolle Klopapier anbeten
Damit ist die Übung zu Ende. Ich könnte das, was ich geschrieben habe, natürlich noch überarbeiten. Aber ich muss es nicht. Es ging um den Prozess, nicht das Ergebnis. Der Text darf so roh bleiben, wie er ist. Vielleicht mache ich mal etwas aus den beiden Ideen, vielleicht auch nicht. Für heute bin ich fertig.
Wie gefällt dir Freies Schreiben? Wie lief es? Hast du einen Satz gefunden, der dir gefällt oder hinter dem sich eine interessante Geschichte verbergen könnte?
Zum Blogartikel Kreatives Schreiben in unruhigen Zeiten
Übung 2: Zeilen-Spalten-Sätze
Übung 3: Wort und Bild
Übung 4: Spiegelschreiben
Übung 5: Buchstabenliebe
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