Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Challenge accepted! Heute fassen wir Bilder in Worte und finden heraus, welche Geschichten in einem Bild versteckt liegen, wenn man genau hinsieht und der Phantasie freien Lauf lässt. Die Übung habe ich von einem Skillshare-Kurs von Christie Clascoe.
Darum geht es:
Sich von einem Foto inspirieren lassen und es als Schreibaufhänger zu verwenden.
So funktioniert es:
Wähle eines dieser Wörter aus. Nimm das, was dich spontan anspricht, folge deinem ersten Impuls:
1: Krönung (coronation)
2: mexikanisch (mexican)
3: Karriere (career)
4: magisch (magical)
5: Märchen (fairy taile)
6: wichtig (important)
Falls es dich interessiert, wie ich zu diesen Wörter gekommen bin: Sie sind entnommen/ angelehnt an einen Artikel der Berliner Zeitung, in dem es um die Frage geht, ob Corona Wort des Jahres 2020 wird.
So, hast du dir ein Wort ausgesucht? Sehr schön. Jetzt lautet die große Frage natürlich: Wie kommst du zu einem Bild? Darum geht es doch…
Stimmt! Aber bevor wir zu den Bildern kommen, fehlt noch eine Sache. Hast du einen Würfel? Wenn nicht, kannst du auch einen Zahlenzufallsgenerator googlen oder, ganz gewagter Vorschlag, du denkst dir eine Zahl aus. Egal wie du es machst, Hauptsache du hast eine Zahl im Kopf, sagen wir zwischen 1 und 15.
Jetzt kommen wir zu dem Bild. Gib dein Wort in das Suchfeld einer kostenlosen Fotodatenbank ein, zum Beispiel bei unsplash. Wie du siehst, habe ich die englische Übersetzung in Klammern hinter die Wörter geschrieben, damit du die bei englischsprachigen Datenbanken wie unsplash verwenden kannst.
Das Letzte, was du jetzt noch tun musst, ist von links nach rechts die Bilder abzuzählen, die dir zu dem Wort angezeigt werden. War deine Nummer die 9, dann nimmst du das neunte Bild, das dir angezeigt wird.
Jetzt kann es los gehen! Lass das Foto eine Weile auf dich wirken und dann schreib dir die Finger wund.
Die einzige Regel: Schau nicht zurück. Überarbeitet wird nicht. Zensiere dich nicht, schreib das auf, was dir in den Sinn kommt.
Mein Bild:
Ich habe mich für „Karriere“ entschieden und über einen Zahlengenerator die Zahl 10 bekommen. Hier ist das zehnte Bild zu „career“ auf unsplash:
Und hier kommt der ungefilterte, unbearbeitete Text, den ich dazu geschrieben habe. Es sind übrigens keine 1.000 Wörter.
Edward. Er hatte seine Eltern immer für diesen verdammt, auch schon lange bevor die Mädchen in seiner Klasse begonnen hatten, diese unsägliche Vampierliebesschnulze zu lesen. Plötzlich wurde er von den Jungs ständig damit aufgezogen, dass ihm bald scharfe Eckzähne wachsen würden und die Mädchen interessierten sich nicht mehr für ihn, Edward, sondern für eine dunkle und unnahbare Version von jemandem, der nicht existierte, den sie aber in ihn rein projizierten. Dann kam er eben aus einem vornehmen Elternhaus und dann hatte er eben schon immer gerne Sakos und Ledertaschen getragen. Er hatte es nie mit dem Hintergedanken gemacht, zum unfreiwilligen Mädchenschwarm aufzusteigen. Edward wusste selbst nicht, warum er an seine Schulzeit denken musste, während er den weniger stark frequentierten Weg durch den Park nach Hause nahm. Vielleicht, weil es noch immer so war, dass die Leute nicht ihn, Edward, sahen, sondern das sahen, was sie sehen wollten: den privilegierten Oxford-Stipendiant. Das Wunderkind, das Gesetzestexte einmal las und für immer behielt. Der Mann, der Karriere machen würde. Alles andere stand nicht zur Debatte. Manchmal kam es ihm vor, als wäre er im Leben von fremden Händen durchgereicht worden, als hätte er ständig in der Luft geschwebt, unfähig, einen Fuß auf den Boden zu bekommen und selbst zu entscheiden, was er tun wollte. Und an einem Tag wie heute, wo man ihm im Büro den dicksten Brocken Gesetztestext als Abendlektüre mitgegeben hatte, denn hey, Edward kann das doch viel schneller lesen als wir, Edward will gar nicht zu Nancys Dinnerparty kommen, Edward möchte alleine zu Hause sitzen und Paragraphen lesen, und er mit sich und seinem ganzen Sein so unzufrieden war, war es leichter, die Schuld für die ganze Misere auf eine bescheuerte Buchreihe mit vier Büchen und fünf Filmen zu schieben, die seine Teenagerzeit zerstört hatte. Es war einfacher. Aber einfach machte nicht glücklich. Das hatte er in den letzten Jahren gelernt. Er setzte sich auf eine Bank am Wegesrand und beobachtete die Enten im Teich. Seit einer Weile spukte eine Idee in seinem Kopf rum. Sie war albern. Er war 28 Jahre alt, ein Mann, der morgens Zeitung las, Hemd trug und ernste Gespräche mit seinen Kollegen führte. Doch der jugendliche Edward, der sich missverstanden und schlecht behandelt fühlte und das Gefühl hatte, mit einer Romanperson mithalten zu müssen, die er nicht kannte, kam immer öfter an die Oberfläche und forderte ihn auf, sich endlich dem Feind zu stellen. Nicht mehr den Schwanz einzuziehen vor einer unbekannten Bedrohung, die ihn all die Jahre terrorisiert hatte. Edward seufzte. Er holte seinen E-Book-Reader hervor. Letztes Wochenende, irgendwann zwischen Mitternacht und dem Morgengrauen (wie passend), hatte er seinem 16-jährigen Ich die Führung überlassen und es machen lassen. Seitdem wartete ein Roman in seiner Bibliothek darauf, gelesen zu werden. Er schaute sich um. Niemand sah ihn. Und selbst wenn, niemand konnte durch seinen E-Bookreader sehen und verfolgen, wie Edward seinen jahrelangen Widerstand aufgab und begann, das erste Kapitel von Twilight zu lesen.
Ich habe so lange geschrieben, bis ich das Gefühl hatte, zu wissen, was für eine Geschichte es werden könnte und die Idee für ein passendes Ende hatte. Du siehst ja selbst, dass dieser Text sehr roh und unperfekt ist. Eigentlich wollte ich noch eine überarbeitete Version anhängen, damit sich meine innere Kritikerin nicht so sehr dafür schämen muss, was sie da der großen weiten Welt zum lesen gibt. Aber ich habe dafür leider gerade keine Zeit. Vielleicht hänge ich es später noch an. Und wenn nicht, muss ich es wohl aushalten. Das wäre auch eine gute Lektion 😉
Zum Blogartikel Kreatives Schreiben in unruhigen Zeiten
Übung 1: Freies Schreiben
Übung 2: Zeilen-Spalten-Sätze
Übung 4: Spiegelschreiben
Übung 5: Buchstabenliebe
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