Vor zwei Monaten habe ich meinen Debütroman Swim Away veröffentlicht. Die Rückmeldung ist echt positiv, was mich total freut. Aber wie so oft sind es genau die kritischen Stimmen, von denen man etwas lernen kann. So ist es mir in den letzten Tagen ergangen. Mir ist aufgefallen, dass meine Protagonistin Aurelie von Lesern, denen die Geschichte nicht so gefallen hat, als unsympathisch beschrieben wird. Deswegen habe ich mir eine Frage gestellt: Ist Aurelie eigentlich eine Antiheldin? Und wenn ja, was bedeutet das für die Leser, für mich als Autorin und für die Entwicklung von Aurelie im zweiten und dritten Band der Triathlon-Trilogie?
Damit wir alle auf demselben Stand sind: Aurelie ist die Protagonistin von „Swim Away“. Sie ist ehrgeizig, diszipliniert und talentiert. Man könnte auch sagen, sie ist zu ehrgeizig, zu verbissen, zu diszipliniert und zu sehr darauf versessen, zu gewinnen. Im Laufe der Geschichte trifft sie Entscheidungen, die nicht vorbildhaft sind. Das führt dazu, dass manche Leser sie unsympathisch finden – sie heißen Aurelies Entscheidungen nicht gut und distanzieren sich von ihr. Deswegen stelle ich mir mittlerweile eine Frage, die ich mir nicht gestellt habe, während ich das Manuskript geschrieben habe: Ist Aurelie eigentlich eine Antiheldin?
Was mir bei Aurelies Charakter wichtig war
Wenn die Frage ob Heldin oder Antiheldin während des Schreibens an „Swim Away“ keine Rolle für mich gespielt hat, sollte ich wohl mit dem beginnen, was für mich bei Aurelies Charakterentwicklung wichtig war: Mein Ziel war es, einen realen Charakter mit echten Stärken und Schwächen zu schaffen. Dabei liegt die Betonung auf echt. Aurelies Schwächen sind für den Leser deutlich zu erkennen und, was vielleicht noch wichtiger ist, Aurelie erliegt ihren Schwächen im Verlauf der Geschichte auch. Jeder, der sich mit Storytelling beschäftigt, weiß, dass ein Charakter Schwächen braucht. Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass sich Autoren nicht trauen, „all in“ mit den Schwächen der weiblichen Protagonisten zu gehen. Echte Schwächen beim Bad Boy, in den die weibliche Protagonistin verliebt ist? Kein Problem. Echte Schwächen und zusätzlich auch noch dominierende Charaktereigenschaften bei der weiblichen Hauptperson, die eher männlich belegt sind (wie zum Beispiel Ehrgeiz oder der Wille, zu gewinnen)? Schon schwieriger. Damit wollte ich brechen. In „Swim Away“ habe ich Tom nicht ohne Grund zu Aurelie sagen lassen: „Du bist ehrgeizig und zielstrebig und wärest du ein Kerl, würde es niemanden stören.“
„Du bist ehrgeizig und zielstrebig und wärest du ein Kerl, würde es niemanden stören.“
Swim Away
Als das Manuskript noch keiner kannte, habe ich persönlich Aurelie nie als Antiheldin betrachtet. Wenn, dann hatte sie für mich den Status „Pre-Heldin“ (falls es den gibt) – sie hat die Voraussetzungen, sich theoretisch wie eine Heldin zu verhalten, doch charakterlich ist sie noch lange nicht so weit und muss erst noch reifen, bis sie zu Heldentaten fähig ist. Aber was kennzeichnet denn jetzt eine Antiheldin?
Bei Antihelden muss man darauf achten, dass sie sympathisch bleiben
Dazu habe ich einen schönen Artikel von der Schreibtechnikerin gefunden. Sie definiert einen Antihelden als einen unheldenhaften Helden, mit dem wir uns identifizieren, „weil er das dunkle Potential in uns repräsentiert bzw. uns zeigt, wie wir sind oder werden könnten“ (Die Schreibtechnikerin.) Sie schreibt weiter, dass Antihelden oft Außenseiter sind, an ihren Zielen scheitern und nicht in die Welt passen, in der sie leben. Demnach kann man Aurelie wohl als Antiheldin bezeichnen… sie scheitert mehrmals an ihren Zielen, scheitert vor allem an sich selbst und wird im Laufe der Geschichte auch zur Außenseiterin. Hätten wir das geklärt!
Nein wirklich, das ist gut, dass wir das geklärt haben. Denn die Schreibtechnikerin nennt auch Punkte, auf die man achten sollte, wenn man einen Antihelden hat und als ich die gelesen habe, hat sich der Kreis mit der Kritik, dass Aurelie unsympathisch sei, für mich geschlossen. Und zwar sollte man drauf achten, dass zwischen all den negativen Ereignissen noch genug Positives passiert, damit sich der Leser weiterhin mit der Antiheldin identifizieren möchte. Eigentlich klingt das total einleuchtend und wie etwas, auf dass ich auch selbst hätte kommen können. Bin ich aber bisher nicht. Ich habe mich in meinem Storydesign mit einer Millionen Dinge beschäftigt, aber nicht wirklich mit dem Verhältnis von positiven und negativen Ereignissen. Weil mir eben auch nicht wirklich bewusst war, dass Aurelie einen Antiheldin ist und dass es wichtig ist, dass ich auch ihre positiven Seiten immer wieder hervorhebe, damit sie nicht unsympathisch wird.
Die guten Seiten zeigen, gerade weil Aurelie eine Antiheldin ist
Es ist ja so: Niemand kann eine Geschichte schreiben, die allen gefällt. Das kann man nicht und das muss man auch nicht. Aber ich habe schon ein Interesse daran, dass meine Leser Aurelie im besten Fall nicht unsympathisch finden. Also werde ich für den zweiten und dritten Teil das Verhältnis von positiven und negativen Ereignissen genau im Auge behalten. Denn Aurelie wird auch weiterhin eine Antiheldin sein, die ihren Weg noch finden muss und ein Händchen dafür hat, falsche Entscheidungen zu treffen. Aber in ihr stecken auch viele gute Seiten. Und die möchte ich jetzt unbedingt zeigen. Das wäre mir nicht so klar geworden, hätte ich mir nicht Gedanken über kritische Rezensionen gemacht. Von daher bin ich jedem dankbar, der mir sagt, was ihm oder ihr nicht gefallen hat. Denn vom Leserfeedback lernt man echt am meisten, finde ich.
Quelle:
Die Schreibtechnikerin: Antihelden, https://die-schreibtechnikerin.de/tipps/archetypen-klischees/antihelden/, letzter Abruf 29.05.2019
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