Einen Roman zu schreiben ist eine ganz schön komplexe Angelegenheit und ich bin froh, dass es erfahrene Schriftsteller gibt, die so nett sind, ihre Erkenntnisse in Form von Schreibratgebern Menschen wie mir zugänglich zu machen, die immer vom eigenen Buch geträumt haben, aber nicht wussten, wie man das Ganze angeht.
Letztens habe ich mich gefragt, welche der vielen Schreibratgeber, die ich im Lauf der Jahre gelesen habe, eigentlich einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet habe, dass ich es geschafft habe, meinen eigenen Roman zu schreiben. Herausgekommen ist eine kurze Liste von vier Bücher, ohne die es Swim Away nicht geben würde (Spoiler: eins davon ist kein Schreibratgeber). Im Folgenden würde ich gerne erzählen, wann und warum mich diese Bücher auf dem Weg zum ersten eigenen Roman weitergebracht haben.
Buch Nr. 1 - Elizabeth George: Wort für Wort oder die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben
Dieser Schreibratgeber ist aus heutiger Perspektive recht alt, denn er ist 2004 erschienen und ich habe ihn 2007 geschenkt bekommen. Damals war ich noch in der Schule, es war mein 18. Geburtstag. Ich habe an diesem Tag bestimmt noch mehr Dinge geschenkt bekommen, aber ich kann mich nur noch an dieses Buch erinnern. Bis heute habe ich keinen Roman von Elizabeth George gelesen, aber „Wort für Wort“ war für mich jahrelange das Nonplusultra und ich wusste, dass ich meinen eigenen Roman eines Tages genauso angehen würde. Am Ende des Buches gibt es eine Schritt für Schritt-Anleitung, wie sich Elizabeth George auf das eigentliche Schreiben der Geschichte vorbereitet. Ich war beeindruckt von der Sorgfalt, mit der sie nichts dem Zufall überlässt. Also habe ich meine Vorbereitung für Swim Away knallhart eins zu eins von ihr übernommen: Ich habe eine Idee ausformuliert, diese erweitert, die Geschichte nach dem 7-Stufen-Plot geoutlined, mir das Primärereignis überlegt, alles mögliche recherchiert, Charakteranalysen für 11 Figuren erschaffen, mir Schauplätze ausgedacht, und 21 Kapitel geplant.
Ich war richtig gut vorbereitet. Dachte ich zumindest. Doch dann kam das Wichtigste, nämlich der Handlungsentwurf, in dem man quasi genau aufschreibt, was in jedem Kapitel, jeder Szene passiert. An dem Punkt kam ich ins Straucheln. Denn was genau in einer Szene so passieren sollte, hat Elizabeth George vergessen zu erklären und ich wusste damals einfach noch zu wenig über szenisches Schreiben (Ich wusste generell zu wenig vom Leben, ich war 19) .
Zwei, drei Jahre später war ich immer noch nicht weise genug, um ein Buch schreiben zu können, aber ich stieß auf einen weiteren Schreibratgeber, der mir hinsichtlich des szenischen Schreibens die Augen öffnete:
Swim Away. Sportroman - Teil 1 der Triathlon-Trilogie von Autorin Kiki Sieg.
"Mitreißend und motivierend" - Leserstimme
Aurelie ist hin- und hergerissen: zwischen ihrem Team und ihren eigenen Zielen, zwischen Stolz und Gewissensbissen, zwischen richtig und falsch. Darf es außer Training noch etwas anderes in ihrem Leben geben oder ist Triathlon schon längst viel mehr geworden als nur ihr Hobby?
Buch Nr. 2 - Robert McKee: Story. Die Prinzipien des Drehbuchschreibens
Dieses Buch habe ich abends im Bett verschlungen, als wäre es ein Abenteuerroman und ich kann gar nicht sagen, wie viele Aha-Momente ich währenddessen hatte. Plötzlich sah ich Szenen vor meinem inneren Auge, die ich unbedingt aufschreiben wollte. In der Zeit hat sich glaube ich auch mein Hang zum Dramatischen entwickelt. Eigentlich richtet sich das Buch an Drehbuchschreiber, aber die Grundsätze gelten auch für das Romanschreiben.
Ich hatte also endlich eine Idee, wie das mit dem Schreiben funktionieren könnte, aber trotzdem habe ich nicht geschrieben. Jahre vergingen. Bis mich Kälte und Sonnenlichtentzug während eines Erasmus-Semesters in Finnland in eine Krise stürzten und mich dazu brachten, über mein Leben nachzudenken. Kommen wir zum dritten Buch, ohne das es Swim Away heute auf keinen Fall geben würde:
Buch Nr. 3 - Veit Lindau: Werde verrückt
Wir schreiben das Jahr 2016. Es ist Ende Januar. Ich bin seit drei Wochen in Joensuu, einer Stadt sechs Busstunden nordöstlich von Helsinki und bin wortwörtlich schockgefroren. Die wärmste Temperatur, die ich seit meiner Ankunft erlebt habe, liegt bei MINUS 21 Grad Celsius. Pro Tag ist es nicht länger als fünf Stunden hell (und „hell“ bedeutet nicht, dass man die Sonne sehen kann, sie schafft es nämlich nicht über den Horizont). Um 15 Uhr ist es stockdunkel, spätestens um 18 Uhr bin ich hundemüde und möchte ins Bett gehen, tue es aber nicht, weil es ja erst 18 Uhr ist. Nachts wache ich regelmäßig mit übelstem Hunger auf, weil mein Körper bei der Kälte Kalorien im Turbo verbrennt.
Dazu kommt das Leben in einer finnisch sprechenden Umgebung, in der ich nichts, aber auch gar nichts verstehe, und die Erkenntnis, dass ich mit 27 Jahren zu alt für Erasmus-Parties bin. Ich stecke in einer tiefen Krise und brauche etwas Aufmunterndes. Dringend!
Mittlerweile bin ich so erwachsen, dass ich weiß, dass Alkohol keine Lösung ist, auch wenn viele Finnen da anderer Meinung sein mögen. Anstatt für 10 Euro den billigsten Wein zu kaufen, investiere ich mein monatliches Audibel-Guthaben in das erste richtige Selbsthilfe-Buch meines Lebens. Ich höre es abends zum Einschlafen, was absolut nichts bringt, da ich innerhalb kürzester Zeit weg bin und mich am nächsten Tag an nichts erinnern kann. Doch die Stimme von Veit Lindau ist mir sympathisch und beschließe, dass dieses Hörbuch genau das ist, was ich jetzt brauche. Während ich mich weiterhin bemühe, nicht in eine Winterdepression abzurutschen und das Beste aus diesem s***** kalten und dunklen Winter in Ostfinnland zu machen, höre ich das Hörbuch nochmal in wachem Zustand und mache mir Notizen. Bald sehe ich mich mit der zentralen Frage konfrontiert: Was will ich wirklich, wirklich in meinem Leben?
Ende April verlasse ich Joensuu auf Nimmerwiedersehen. Am Tag meiner Abreise sind die Wiesen braun und im Schatten der Häuser türmen sich noch immer riesige Schneeberge. Ich verlasse Finnland ohne zurückzublicken. Keine zehn Pferde bekommen mich in diesem Leben nochmal nach Joensuu. Doch etwas Gutes hatten die vier Monate. Nachdem ich alle Übungen von Werde Verrückt gemacht habe, weiß ich, was ich wirklich wirklich will: einen Roman schreiben. Ich habe es natürlich eigentlich immer schon gewusst, aber erst jetzt ist mir klar, dass ich es nicht länger vor mir herschieben möchte.
Einen Monat später fange ich an, den ersten Entwurf von Swim Away zu schreiben, was drei Monate ganz gut klappt, bis ich mich im letzten Viertel des Entwurfes um Kopf und Kragen schreibe und vorne und hinten nichts mehr Sinn macht oder Bedeutung hat.
Ende 2016 ist es trotzdem soweit. Ich habe eine Geschichte schriftlich von Anfang bis Ende erzählt. Man könnte es Roman nennen. Das Problem an der Sache: Der Großteil ist echt scheiße.
Aber macht ja nichts, es weiß ja sowieso keiner davon. Und außerdem studiere ich Politische Geographie und habe eine Masterarbeit zu schreiben. Monatelang komme ich nicht weiter, weil ich nicht weiß, wie ich aus diesem Shitty First Draft etwas Besseres machen kann, bis ich über folgendes Buch stolpere:
Buch Nr. 4 – Libby Hawker: Take of your pants! Outline your books for faster, better writing
Und endlich, endlich erklärt mir jemand, wie ich nicht nur einen großen Handlungsstrang plane, sondern wie ich Kapitel und Szenen so gestalte, dass der Leser immer weiter lesen möchte. Daraufhin gehe ich mein Manuskript durch und überlege mir für jedes Kapitel genau, welches Ziel meine Protagonistin verfolgt, auf welches Hindernis sie stößt und welcher Paukenschlag sie ins nächste Kapitel wirft. Vor allem die Paukenschläge haben es mir angetan. Endlich weiß ich, wie aus diesem Shitty First Draft ein echter Roman werden kann und mache mich ans Werk.
Ab diesem Punkt läuft alles wie von selbst und einen Monat später ist Swim Away veröffentlicht.
Äh nein.
Es dauerte deutlich länger und war mit weiteren Herausforderungen verbunden.
Doch das ist eine andere Geschichte und ich hätte sie nie erlebt, wenn mich diese vier Bücher nicht so weit gebracht hätten.
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