Letzte Woche war ich zum ersten Mal in Schweden beim Frisör. Es gibt einen Ein-Friseuse-Laden im nächsten Dorf. Nur acht Kilometer von uns entfernt, quasi ein Katzensprung. Ich musste ein bisschen schmunzeln, als ich in den Laden kam: ein Raum, ein Stuhl, ein Spiegel.
Doch auch im schwedischen Wald, weit weg von Großstädten, Karriereleitern und Leasingverträgen, wollen Menschen dich in die passende Schublade stecken können. Sobald die erste Strähne Haar auf den Boden gefallen war, wusste ich, dass ich nur noch wenige Sekunden von der schlimmste aller Fragen entfernt war: Und was machst du so?
Ob im Kanu auf dem See, beim Kaffeeklatsch, am Bibliotheksschalter, auf der Flughafentoilette oder wo auch immer, überall werde ich gefragt, was ich mache. Ich versuche die Fragen zu überhören, sie mit einem unverständlichen Gemurmel zu beantworten oder einfach das Thema zu wechseln. Klappt aber meistens nicht, die Leute sind neugierig. Sie wollen wissen, was ich mache. Womit ich mein Geld verdiene. Was mein Beruf ist.
Mittlerweile habe ich eine unverfängliche Standardantwort entwickelt, in der das Wort „Freelancer“ vorkommt und in der größten Not drücke ich mich so kompliziert wie möglich aus. Damit keine Nachfragen kommen. Das, womit ich Geld verdiene und die Dinge, die mich ausmachen, haben nichts miteinander zu tun. Wer erfährt, wie ich Geld verdiene, erfährt nichts über mich. Es spielt keine Rolle und ich identifiziere mich auch nicht darüber.
Der Frisöse habe ich meine Standardantwort erzählt – alles gut verlaufen. Meine Haare sind jetzt auch wieder schön. Nur dann habe ich den Fehler gemacht, beim Abendessen von meinem Dilemma zu berichten. Mir kann keiner mehr erzählen, dass die Schweiz neutral sei, denn mir wurde von gleich drei Schweizern dargelegt, dass ich endlich ehrlich auf die Frage antworten soll. (Auch wenn sie es nach Schweizer Art sehr höflich formuliert haben.)
Sie sagen, ich soll sagen, dass ich an einem Buch schreibe. Ich sage, das ist bescheuert. Damit nimmt mich doch niemand ernst. Was werden die Leute denken?
Dass ich den Schuss nicht gehört habe, dass ich naiv bin, dass ich hinter dem Mond lebe.
Dass es mutig ist, dass du was ausprobierst, sagen die Schweizer.
Können wir jetzt weiter essen, ich habe Hunger, sage ich.
Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt keinen richtigen Beruf. Nur ein sehr teures Hobby. Und einen Traum. Es ist ein Experiment. Das vielleicht klappt, vielleicht nicht. Ich weiß es nicht. Fragt mich in einem Jahr nochmal. Dann bin ich vielleicht auch bereit, Fremden zu erzählen, was ich gemacht habe. Oder immer noch mache.
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