Meine Erkenntnis aus der ersten Phase des Self-Editings: eine Frage sollte allzeit und immer präsent sein: Mache ich es grade besser – oder schlimmer?
Es ist eine dünne Linie, auf der man sich da bewegt. In einem Schreibratgeber habe ich mal den Hinweis gelesen, dass man ein Manuskript auch zu Tode überarbeiten kann. Denn irgendwann erreicht man den Punkt, an dem man die Qualität des Textes im Grunde nicht mehr verbessert – man tauscht nur Wörter aus. (Zumindest während des Self-Editings. In den Augen meiner zukünftigen Lektorin sieht das wahrscheinlich nochmal anders aus.)
Das Programm (Papyrus), mit dem ich mein Buch schreibe hat eine sogenannte Stilanalyse. Die hatte ich während des First Drafts ausgeschaltet. Für die Überarbeitung dachte ich mir, dass sie nützlich sein könnte. Und das ist sie in der Tat. Sie analysiert alles bis auf die wörtliche Rede, „weil reden darf man, wie man will, damit es authentisch ist“, aber fürs Schreiben gibt es Regeln.
Das Programm erkennt Füllwörter (meine Topfüllwörter sind Wörter wie irgendwann, ganze, so, bestimmt, vielleicht, tatsächlich, anscheinend, ziemlich, wohl, wahrscheinlich). Diese Wörter kann man schlicht löschen. Das spart später auch Druckertinte. Meine Lieblingsfunktion ist die der „Verbfaulheit“. Papyrus merkt es nämlich sofort, wenn man Wörter wie „war“, „gegangen“ oder „tat“ verwendet und merkt ganz höflich an, ob es da nicht eventuell vielleicht noch ein anschaulicheres Verb gäbe, das verwendet werden könnte. Außerdem sind ihm passive Formulierungen ein Dorn im Auge.
Mit den drei Hinweisen bin ich ganz gut klar gekommen und manchmal gab es sogar Absätze, in denen gar nichts markiert war. Bor bin ich gut, dachte ich mir. Bis mir auffiel, dass ich das Basis-Level der Stilanalyse aktiv hatte. Es gibt noch zwei weitere Stufen und wenn ich die aktiviere, sehe ich nur noch grüne Kästen (Wortwiederholungen), blaue Punkte (Gleichzeitigkeit) oder lila Striche, die meinen schönen Adjektive und Adverbien durchstreichen. Dann beginnt der Teufelskreis. Denn in dem Moment, in dem ich einen Halbsatz austausche, um eine passive Formulierung zu ersetzten, taucht an anderer Stelle eine neue Wortwiederholung auf. Dabei kann man schon mal die Nerven verlieren. Ich habe mich deswegen für einen erwachsenen und selbstreflektierten Umgang mit diesem Tool entschieden und es wieder ausgeschaltet.
Ich schreibe lieber nach Gefühl, wobei es definitiv gut ist, dass ich jetzt besonders auf Füllwörter, langweilige Verben und Sätze im Passiv achte. Aber die ganzen Markierungen im Text haben mich vom wesentlichen abgelenkt, und das ist für mich die Story. Wenn ich überlege, wie ich schöner schreiben könnte, komme ich ins straucheln. Wenn ich überlege, was der Story noch fehlt, komme ich vorwärts.
Deswegen habe ich beschlossen, die erste Hälfte des Manuskriptes nicht tot zu lektorieren und mich lieber auf die geschichtlichen Ungereimtheiten und zu kurz gekommenen Handlungsstränge im hinteren Teil zu konzentrieren. Und dann natürlich noch auf die Vermittlung von Emotionen, aber das ist ein Thema für nächste Woche…
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