Beim Spiegelschreiben hältst du dir sozusagen einen Spiegel vor Augen und schreibst über etwas aus deinem Leben. Das kann eine Erinnerung oder ein Erlebnis aus der Vergangenheit sein oder etwas, das dich momentan beschäftigt.
Darum geht es:
Kreatives Schreiben lebt von Phantasie und Fiktion, aber die Inspiration dafür kommt doch eigentlich fast immer aus dem wahren Leben. Du schreibst über etwas aus deinem Leben und findest darin ein Detail oder eine Begebenheit, hinter der sich eine fiktive Geschichte verbergen könnte.
So funktioniert es:
Es ist ziemlich einfach. Du stellst dir eine Frage und beantwortest sie schriftlich. Derzeit muss man nicht in die Vergangenheit reisen, um etwas Interessantes zu finden, über das es sich lohnt zu schreiben. Ich würde eine Frage aus dem Hier und Jetzt vorschlagen:
Was war in deinem Alltag vor zwei Wochen noch selbstverständlich? Was weißt du plötzlich zu schätzen? Was vermisst du?
Wenn du möchtest, kannst du dir einen Timer von 10 Minuten stellen oder du schreibst so lange, wie du Lust hast.
Ich habe über meinen monatlichen Stadtbesuch geschrieben:
Ich vermisse es, hin und wieder den Wald zu verlassen und die Stadt zu besuchen. Vor Corona war Soziale Distanz kein Begriff für mich, aber nun muss ich im Rückblick sagen, dass Soziale Distanz seit zwei Jahren quasi Teil meines Lebens ist. Ich bin es gewöhnt, alleine zu sein und auch mal tagelang keine andere Person als meinen Freund zu sehen.
Ich kann nicht mal eben in die Stadt fahren, um einen Kaffee zu trinken oder die Packung Milch zu kaufen, die wir bei unserem wöchentlichen Einkauf zu wenig gekauft haben. Ich kann nicht mal eben unter Menschen gehen, wenn mir danach ist. Ich kann auch kein Take-Away kaufen und es gibt keinen Lieferservice, der uns hier draußen beliefern würde.
Meistens macht mir das alles nichts aus. Aber in regelmäßigen Abständen bekomme ich Heimweh nach der Stadt und danach, unter Menschen zu sein. Dann würde ich nichts lieber tun, als durch die belebten Straßen einer Innenstadt oder auch eines Wohnviertels zu spazieren und mich zu vergewissern, dass ich nicht alleine auf der Welt bin und ein bisschen Lebendigkeit zu atmen.
Mein letzter Stadt-Tag ist 1,5 Monate her und ich habe ihn noch immer in guter Erinnerung. Alleine in ein Café gehen zu können und mich mit einem Kaffee ans Fenster zu setzen und die Leute zu beobachten, macht mich glücklich. Als nächstes gehe ich schwimmen. Schwimmen ist für mich wie Kurzurlaub und das Beste an den Schwimmbädern in Schweden ist, dass es in den Duschbereichen Saunas gibt. Wenn ich in der Sauna sitze, meistens alleine oder mit ein paar älteren Damen, bin ich zufrieden. Nach dem Schwimmen spaziere ich durch die Stadt zur Stadtbibliothek, die vielleicht mein Lieblingsort in Växjö ist. Selbst wenn ich gar kein Buch habe, das ich ausleihen möchte, liebe ich die Stimmung und Energie, die in der Bibliothek herrscht. Dann setze ich mich einfach nur mit meinem Notizbuch an einen der Tische und denke über mein Leben nach. Oft habe ich dort gute Ideen. In der Bibliothek ist ein Café, in dem ich mir meistens chokladbollar gönne. Wenn ich Zeit habe, schlendere ich noch durch die Einkaufsstraße.
Nach so einem Tag fühle ich mich erfrischt und habe neue Motivation gesammelt. Das reicht dann wieder für eine Weile. Viele können sich bestimmt nicht vorstellen, nur einmal im Monat in eine Stadt zu fahren. Konnte ich auch nicht. Vor Schweden habe ich auch in Städten gelebt. Aber man gewöhnt sich dran. Und es ist irgendwie auch schön, weit weg von allem zu sein, das Geld kostet. Und langweilig ist mir wirklich… nie.
Birgt dieser Text Potenzial für einen fiktiven Geschichte? Wenn ich jetzt versuche, zu vergessen, dass ich über mein eigenes Leben geschrieben habe und so tue, als wären es die Worte einer fremden Person – was würde mein Interesse wecken?
Das Erste, was mir auffällt: Okay, wir haben es hier offensichtlich mit einer Einsiedlerin zu tun. Davon gibt es bestimmt viele. Stell dir vor, eine Pandemie bricht aus und es gibt Menschen, die so abgeschieden leben, dass sie es nicht bekommen haben. Wie wäre das? (Ihr seht, ich bin schon mitten drin in der Fiktion). Oder wie wäre es, wenn diese Einsiedlerin nach einem halben Jahr zum ersten Mal eine ausgestorbene Stadt betritt und sie nicht weiß, was los ist? Das wäre doch mal eine Schreibidee.
Ansonsten gefällt mir noch der Satz „…und mich zu vergewissern, dass ich nicht alleine auf der Welt bin und ein bisschen Lebendigkeit zu atmen. “ Zu dem Satz könnte man zum Beispiel eine Freies Schreiben machen und schauen, wo es einen hinbringt.
„Weit weg von allem zu sein, das Geld kostet“ finde ich auch noch interessant und ist etwas, was ich mit einer anderen Schreibübung näher untersuchen würde.
Du siehst, man kann persönliche Gedanken und Erlebnisse als Ausgangspunkt nehmen, um Ideen für fiktive Geschichten zu bekommen.
Zum Blogartikel Kreatives Schreiben in unruhigen Zeiten
Übung 1: Freies Schreiben
Übung 2: Zeilen-Spalten-Sätze
Übung 3: Wort und Bild
Übung 5: Buchstabenliebe
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